Emder Zeitung - Ratgeber Heute: Lernprobleme
Eine Lerntherapie sollte früh beginnen
7,5 Millionen Erwachsene in Deutschland sind funktionale Analphabeten und etwa zehn Prozent aller Schulkinder haben eine Lese-Rechtschreib-Schwäche oder Rechenschwäche. Die Ergebnisse der „leo. – Level- One”-Studie weisen nach, dass etwa 14,5 Prozent der Menschen im erwerbsfähigen Alter maximal einzelne Sätze lesen oder schreiben können. Die Biografien dieser „funktionalen Analphabeten“ zeigen, dass die Lese-Rechtschreib-Schwie- rigkeiten bei den meisten bereits in den ersten Schuljahren begonnen haben. Auch wenn keine Studien über Erwachsene mit Dyskalkulie (Rechenschwäche) vorliegen, kann von ähnlichen Zahlen ausgegangen werden, denn rund vier bis acht Prozent aller Schulkinder sind von Legasthenie betroffen und etwa vier bis sechs Prozent von Dyskalkulie.
Die betroffenen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen leiden unter ihren erheblichen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens, Schreibens und/oder Rechnens sowohl während der Schule als auch in ihrem ganzen weiteren Leben, denn die Probleme wirken sich auf jedes weitere Lernen fächerübergreifend aus. „Sie erleben immer wieder Misser- folge, erwarten Misserfolge, trauen sich nichts mehr zu und zweifeln an sich selbst – ein Teufelskreis“, wie Marlies Lipka, Geschäftsführerin des Fachverbandes für integrative Lerntherapie e.V. (FiL), aus ihrer Erfahrung als Lerntherapeutin weiß.
Viele reagieren mit somatischen Beschwerden, Versagensängsten, aggressivem Verhalten oder sozialem Rückzug. Oft müssen sie Nachteile in ihrer persönlichen
und schulischen Entwicklung hinnehmen. Noch immer liegen ihre Berufschancen unter ihrem eigentlichen Leistungsvermögen.
Eltern und engagierte Lehrer versuchen, den Kindern durch unermüdliches Üben zu helfen. Eltern fühlen sich häufig überfordert. Auch zusätzliche schulische Förderangebote oder Nachhilfe reichen nicht aus, wenn sich der Teufelskreis aus Misserfolgen, Versagensangst und Vermeidung erst einmal verfestigt hat.
Von Anfang an Erfolge
Ausgehend von den Stärken der Kinder wird das Vorgehen bei einer Lerntherapie so geplant, dass die Kinder von Anfang an Erfolge haben. Sie lernen, sich selbst ein- zuschätzen und einen persönlichen Maßstab zu entwickeln, Lob anzunehmen und sich selbst zu loben. Sie erfahren, dass sie trotz ihrer Lernschwierigkeiten Fort- schritte machen und Ziele erreichen. Eltern und Lehrer werden in den Lernprozess eingebunden.
Wie im Chancen-Spiegel der Bertelsmann Stiftung dargestellt, besteht in Deutschland noch immer ein Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Schulerfolg. „Als Fachverband setzen wir uns dafür ein, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die lerntherapeutische Hilfe benötigen, diese in ausreichendem Maße, mit hoher Qualität und unabhängig ihrer Herkunft erhalten können“, betont Marlies Lipka.
Inzwischen bemühen sich immer mehr Lerntherapeuten und engagierte Lehrer um eine enge Kooperation, damit den betroffenen Kindern frühzeitig, effektiv und nachhaltig geholfen werden kann.
Quelle: FiL