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Welttag der Alphabetisierung - Zusammenhang zwischen Legasthenie und Analphabetismus?

Am 8. September ist Weltalphabetisierungstag. Dieser Tag wurde von der UNESCO 1966 zur Beseitigung des Analphabetentums erstmals begangen. 50 Jahre später sind 7,5 Millionen Erwachsene in Deutschland funktionale Analphabeten. Das macht 14 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung aus, die ihren Alltag bewältigen muss, ohne ausreichend lesen und schreiben zu können. Wie konnten diese Menschen durch das Schulsystem kommen, ohne dass ihre Defizite erkannt oder behandelt wurden? Liegen die Ursachen womöglich in einer nicht erkannten Legasthenie?

Obwohl im Dezember 2012 von namhaften Institutionen wie dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, den Kultusministern der Bundesländern, der Bundesagentur der Arbeit u.v.m. eine gemeinsame nationale Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener unterzeichnet wurde, bleibt fraglich, ob die Maßnahmen die Zahl der Betroffenen reduzieren können. Dies wird erst die Folgestudie 2018 aufzeigen. „Es ist unverständlich“, so Marlies Lipka, Geschäftsführerin des Fachverbands für integrative Lerntherapie (FiL) e.V., „dass kaum eine Beziehung zu Lese- und Rechtschreibstörungen hergestellt oder untersucht wird! Im Bericht zur Umsetzung der Vereinbarung zur gemeinsamen nationalen Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener in Deutschland wird auf die Verbesserung der Hilfen für Kinder mit Lernstörungen verwiesen, jedoch sind die Umsetzungsmaßnahmen wenig konkret und bleiben bei der bessern Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern stehen.“ Und als Vertreterin des Fachverbands fordert sie des Weiteren: „Wir brauchen einen niederschwelligen Zugang zur Lerntherapie für alle und insbesondere für Kinder aus sozialschwachen und bildungsfernen Familien. Das kann nur in guter Kooperation mit den Schulen gelingen. Lehrer sollten wie gute Hausärzte agieren dürfen, die Diagnosen stellen, dann aber wenn nötig auch an Fachleute (hier Lerntherapeut/innen) weitervermitteln können, damit weniger Kinder durch das Schulsystem schlüpfen, ohne ausreichend Lesen und Schreiben zu können.“ Dies wird so eigentlich auch in dem genannten Strategiepapier deutscher Bildungseinrichtungen festgelegt, in dem es wie genannt heißt: „Um präventiv zu arbeiten und funktionalen Analphabetismus frühzeitig erkennen und Fördermaßnahmen ergreifen zu können, ist es wichtig, dass Lehrer und Lehrerinnen sowie Schulsozialarbeiter und Schulsozialarbeiterinnen in diesen Fragen aus- bzw. fortgebildet werden.“

Aktuell ist es jedoch aus Erfahrung der Lerntherapeuten vom Engagement einzelner Eltern oder Lehrer abhängig, ob Schulkinder mit einer Lese- und Rechtschreibstörung frühzeitig aufgefangen werden. Einen gesetzlich geregelten Anspruch auf Hilfe haben die Kinder erst, wenn sie aufgrund Ihrer Schwierigkeiten psychisch reagieren oder krank sind – Prävention sieht anders aus, besonders im Hinblick auf die Zahl der funktionalen Analphabeten in Deutschland! Bezeichnend ist zudem, dass der Interessenverband Betroffener, der Bundesverband für Legasthenie & Dyskalkulie, in Kooperation mit der Deutschen Kinderhilfe Alarm schlägt und für den 30. September 2016 einen Aktionstag der Legasthenie und Dyskalkulie ins Leben gerufen hat, um im gesamten Bundesgebiet betroffenen Kindern eine Stimme zu geben. Vielleicht wäre es im Interesse der Betroffenen, diese Aktion mit dem Weltalphabetisierungstag zu verbinden, um auf den Zusammenhang von Lese-Rechtschreibstörung und Analphabetismus in Deutschland aufmerksam zu machen und auch die Kräfte der Betroffenen-Verbände zu bündeln.